In Lauingen und Landshausen landeten die Hexen gestern auf dem Scheiterhaufen. Ein Mann der ersten Stunde ist Rudolf „Samy“ Wagner, der selbst schon auf der Bühne mitwirkte
Stephanie Sartor und Cordula Homann | Donau Zeitung
Rudolf „Samy“ Wagner trägt einen Frack, einen Zylinder und eine Fliege. Um ihn herum tummeln sich Hexen und Frühlingsfeen. Wagner steht auf einem Podest, breitet seine Arme aus, lacht in die Kamera. Viele Jahre ist dieser Moment her. Geblieben ist ein schwarz-weißes Foto aus den frühen 80er Jahren – und die Erinnerung. Denn Wagner ist ein Teil Lauinger Geschichte, ein Teil des Hexentanzes, der, wie auch gestern, jedes Jahr auf dem Lauinger Marktplatz veranstaltet wird.
Zehn Jahre stand Wagner als Herr der Jahreszeiten auf der Bühne. Vieles habe sich beim Hexentanz über die Jahre geändert, sagt er. „Ganz am Anfang gab es noch ein Malefizgericht, von dem die Oberhexe Schwertgoschin zum Tod verurteilt wurde“, erzählt er. „Es gab einen Oberrichter und zwei Scharfrichter. Schwertgoschin wurde wegen verschiedener Schandtaten verurteilt. Unter anderem wurde ihr vorgeworfen, aus Putzlappen Milch gemolken zu haben, das weiß ich noch“, sagt Wagner und lacht. In den zehn Jahren, in denen Wagner als Herr der Jahreszeiten auf der Bühne stand, sah die Figur noch ganz anders aus: „Ich war damals sehr vornehm gekleidet“, sagt Wagner. Heute trägt der Herr der Jahreszeiten eine Maske und ein fransiges Jutegewand. Und es hat sich noch mehr geändert. Das Gericht gibt es auch nicht mehr. Stattdessen findet ein Kräftemessen zwischen den Winterhexen und den Frühlingsgeistern statt. Nach dem Urteil wurde die Hexe damals auf einen Karren geladen und vom Oberanger bis zum Marktplatz kutschiert. „Und Hunderte Hexen sind bis zum Scheiterhaufen jaulend hinterhergelaufen“, erinnert sich Rudolf Wagner, der heute Ehrenhofmarschall ist.
Noch immer kann er die ersten Zeilen des Textes auswendig, der ab dem Jahr 1975 zum Auftritt des Herrn der Jahreszeiten vom Tonband eingespielt wurde: „Ich, der Herr der Jahreszeiten, kenne eure Winterleiden. Darum habe ich bestimmt, dass der Winter Abschied nimmt“, rezitiert er. Der Hexentanz sei für ihn immer der Höhepunkt im Fasching gewesen. Zu verdanken habe er das Spektakel den Organisatoren der ersten Stunde: Hermann Bögner, Hans Hummel, Kaspar Lenzer und Georg Drexler.
Deren Idee lebt auch heute noch weiter. Gestern Abend war es wieder so weit: Nach dem Brauchtumsspiel wurde die Oberhexe Barbara Schwertgoschin vom Schimmelturm abgeseilt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Wagner war allerdings nicht dabei. Aus gesundheitlichen Gründen sei ihm das mittlerweile zu anstrengend, sagt er.
Zahlreiche Narren mit spitzen Hüten, krummen, warzigen Hexennasen oder wüsten, zotteligen Perücken tummelten sich gestern in den Straßen rund um den Marktplatz, feierten trotz des nasskalten Wetters. Wem es zu kühl wurde, der konnte sich in das Foyer der Stadthalle zurückziehen, wo eine Bar aufgebaut war. „Wir haben noch diskutiert, ob wir die ganze Veranstaltung nach dem Brauchtumsspiel in die Halle verlegen“, sagt Laudonia-Präsidentin Lisa Kreuzer. „Aber wir wollten zurück zum Straßenfasching, zum bunten Treiben in den Gassen, so wie es früher einmal war. Egal bei welchem Wetter.“
Nicht nur in Lauingen brannte der Scheiterhaufen lichterloh, sondern auch in Landshausen. Dutzende von Hexen waren dem Ruf der Bachtalhexen gefolgt. Doch Regen und Kälte schreckten viele Besucher ab. So waren insgesamt mehr Hexen auf dem Platz am Bürgerhaus versammelt – aber die hatten ihren Spaß, nachdem sie angeführt von den Guggmer Wörnitzstein ins Hexendorf eingezogen waren. Dort warf Waldschrat Clemens Ruf den Hexen einiges an den Kopf. So würde zum Beispiel das wilde Volk das nächtliche Flugverbot ignorieren. Die hohen Abgaswerte würden wiederum dazu führen, dass niemand in Syrgenstein Urlaub macht. „Stimmt nicht!“, „Unschuldig“, riefen die Hexen. Gnade gab es keine, die Puppe auf dem Scheiterhaufen ging in hellen Flammen auf. Ausgelassen tanzten die Hexen um das Feuer, während sich die Zuschauer immer enger an die Heizpilze drückten, die die Gastgeber regelmäßig mit Feuerholz auffüllten. Glühwein wärmte von innen. Neben den Besenkrachern und Bachtalhexen traten die Oberberger Lombahexen, die Panscher- und Heuberghexen und die Hüttagoischdr auf, außerdem wurde lautstark ein Auftritt des neu gegründeten Männerballetts gefordert. Sechs Auftritte haben die Jungs in ihren pinken Leggins bereits absolviert. Und dabei gibt es das Männerballett im Bachtal seit nicht mal drei Wochen. Ob gestern Abend der siebte Auftritt folgte, stand bis Redaktionsschluss noch nicht fest.